
Bundesrat stimmt Verordnung zu Standardvertragsklauseln zu
Wer sich schon einmal mit den Rahmenbedingungen für das Aufsetzen einer klinischen Studie in Deutschland beschäftigt hat, mag sich schon vor langer Zeit mit Grausen von all den komplizierten Regelungen abgewandt haben. Dies mag ein Grund dafür sein, dass die Anzahl der klinischen Studien, die durch Industrieunternehmen durchgeführt werden, seit Jahren sinken – gerade auch in Deutschland nach einer gründlichen Untersuchung von EFPIA, IQVIA und Vaccines Europe aus dem Jahr 2024: Zwischen 2018 und 2023 sank die Zahl der kommerziellen klinischen Studien der Phasen I bis IV, die in Deutschland durchgeführt wurden, von 618 auf 417 – ein Rückgang von 8 %. Auf europäischer Ebene verringerte sich der weltweite Anteil klinischer Studien, die in europäischen Ländern durchgeführt wurden, im selben Zeitraum von 18 % auf 12 %. Auch ein Rückgang multizentrischer Studien wurde in verschiedenen europäischen Ländern beobachtet: Ihr Anteil sank zwischen 2018 und 2023 von 23 % auf 19 %. Ein Grund wurde durch Akteure und Verbände bei der Vertragsgestaltung mit den medizinischen Einrichtungen ausgemacht, die in Deutschland keineswegs standardisiert ist. Durch langwierige juristisch geprägte Verhandlungen, werde viel Zeit verloren, so dass andere internationale Studienzentren bevorzugt in die Auswahl der Unternehmen gelangen. Eine verbindliche Vorgabe eines Standardvertragsgerüstes könnte nun Abhilfe schaffen.
Die Gemeinschaft einer in einer Verbändeplattform organisierten Organisationen der Pharmaindustrie, der klinischen Studienzentren, der Universitätsmedizin, der klinischen Forschungsinstitute und weiterer Akteure feiert eine aktuelle Abstimmung des Bundesrates: „Deutschland ist heute der Einführung von verbindlichen Standardvertragsklauseln für Verträge zwischen Unternehmen und medizinischen Einrichtungen über die Durchführung klinischer Prüfungen einen Schritt nähergekommen“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung. Denn der Bundesrat hat einer entsprechenden Verordnung zugestimmt. Damit könne das Bundesgesundheitsministerium die Verordnung nun zeitnah in Kraft setzen.
In den Bundesratsentscheidungen von Anfang Juli erkennt die Verbändeplattform aus KKS-Netzwerk, Deutscher Hochschulmedizin, vfa, BPI, BVMA und BV Med einen wichtigen Fortschritt: Verbindliche Standardklauseln, auf deren Basis sich Verträge zu klinischen Prüfungen zügig aushandeln lassen, können den Studienstandort Deutschland handlungsfähiger und attraktiver machen. Damit werde der Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort Deutschland gestärkt und die Gesundheitsversorgung mittelfristig verbessert. Denn für Studien zur Erprobung von Medikamenten oder Medizinprodukten mit Patienten müssen Unternehmen mit Kliniken oder Arztpraxen zusammenarbeiten. Bei diesen finden dann die Aufklärungsgespräche mit Teilnahme-Interessierten, die vorgesehenen Untersuchungen und Behandlungen und auch die Dokumentation der Therapieverläufe statt. Meist sind an einer Studie medizinische Einrichtungen mehrerer (Bundes-)Länder zugleich beteiligt.
In den letzten Jahren sank die Zahl der industriell ausgerichteten Arzneimittel- und Medizinprodukte-Studien, an denen deutsche medizinische Einrichtungen beteiligt waren. Ein wesentlicher Grund dafür war, wie abschreckend lange hierzulande Verträge zwischen Unternehmen und Kliniken oder Praxen verhandelt wurden. Einige andere EU-Länder konnten hingegen mehr klinische Prüfungen durchführen, weil in ihnen Verträge zügig auf Basis verbindlicher Standardklauseln ausgehandelt wurden. In Deutschland wurde das Festlegen verbindlicher Vertragsklauseln erst mit dem im Oktober 2024 veröffentlichten
Medizinforschungsgesetz ermöglicht, in dem ein solches Vorgehen Eingang gefunden hatte. Seither wurde im Bundesgesundheitsministerium an konkreten Klauseln gearbeitet. Erarbeitet wurde auch eine Verordnung, mit der diese verbindlich gemacht werden sollen. Den Verordnungsentwurf hat das
Bundeskabinett am 28.05.2025 angenommen und dann dem Bundesrat überstellt, der ihm nun zugestimmt hat. Sobald das Bundesgesundheitsministerium die Verordnung nun in Kraft setzt, werden die Standardvertragsklauseln für Industrieinitiierte Studien in Deutschland verbindlich. Ein Abweichen davon
wäre für die Vertragspartner dann nur in Ausnahmefällen und auch nur einvernehmlich möglich.
Die Verbändeplattform aus KKS-Netzwerk, Deutscher Hochschulmedizin, vfa, BPI, BVMA und BV Med engagiert sich seit Jahren für die Vereinfachung der Vertragsverhandlungen zwischen Unternehmen und (Universitäts-)Kliniken oder Arztpraxen. In vielen politisch unterstützten Rundtisch-Gesprächen (Pharmadialog, Pharmagipfel diverser Bundesländer …) hat sich über mehrere Jahre erst ein Vertrauensverhältnis etablieren und das gemeinsame Verständnis finden müssen, dass alle Akteure ja im gemeinsamen Boot für schnelleren Zugang deer Patienten zur Innovation sitzen. In diesen Gesprächen und Arbeitssitzungen haben die beteiligten schon vor Jahren eigene Mustervertragsklauseln erarbeitet und zwischen den beteiligten Vertretern aus Akademia, pharmazeutischer Industrie, Medizinprodukteherstellern und Auftragsforschungsinstituten abgestimmt. Diese zuletzt 2023 überarbeiteten Mustervertragsklauseln stellten aber – anders als die nun staatlicherseits vorgesehenen Standardvertragsklauseln – nur ein unverbindliches Angebot an die Vertragspartner dar. Auch eine „Gemeinsame Empfehlungen zur Erstellung einer Gesamtleistungsrechnung zur Vergütung bei der Durchführung einer klinischen Prüfung durch ein Prüfzentrum“ wurde in den Arbeitskreisen der Verbändesplattform erarbeitet, die auch nach Inkrafttreten der Standardvertragsklauseln anwendbar bleiben werden. Denn neben der juristischen Auseinandersetzung um die Durchführung der klinischen Studie (und unter anderem der Verteilung etwaiger dadurch entstehender patentrechtlich relevanter Erfindungen und ihrer Vergütung) geht es in den Vertragswerken zwischen Sponsor (Industrie) und medizinischer Facheinrichtung immer auch um die Entlohnung für die Leistungen der besonderen Betreuung von Patienten, die in eine Studie eingeschlossen werden. Auch diese Verhandlungen sollten aber zwischen einzelnen bundesdeutschen Studienzentren nicht massiv unterschiedlich sein und werden aber wohl nicht durch eine Art gesamtdeutsche Gebührenordnung harmonisiert werden können.
Durch den Schritt zu verbindlichen Vertragsklauseln sollte jedoch eine deutliche Beschleunigung im Aufsetzen von partnerschaftlichen Verträgen möglich werden. Die Preisgestaltung kann sich dann endlich unabhängiger davon im Spiel von Angebot und Nachfrage auf das angemessene Niveau zu bewegen.